Offene Briefe

22. 11.2011
Sehr geehrter Herr Streitberger,

mit Schrecken las ich dieser Tage im Kölner Stadtanzeiger, wie weit die Pläne für eine Rettungshubschrauberstation auf dem Kalkberg bereits gediehen sind. Zu meiner Überraschung war in dem Artikel ausschließlich von lärm- und rettungstechnischen Aspekten die Rede – die landschaftlichen Qualitäten des Kalkbergs als perfekt gelegener Panoramahügel inmitten einer extrem verdichteten Stadtlandschaft wurden mit keinem Wort erwähnt. Genau diese werden aber wichtig, wenn es gilt, den Kalkberg als Standort für eine Hubschrauberstation gegenüber anderen, ebenfalls zentral und verkehrstechnisch günstig gelegenen Alternativen abzuwägen. Denn wenn man den Kalkberg nicht als den schnöden „Schutthügel“ betrachtet, als der er in dem Artikel bezeichnet wird, sondern als eben jenen fantastischen, seinem Besucher mit wenigen Schritten zu einem vollständigen Perspektivwechsel verhelfenden, erstaunlichen Park, der er de facto bereits ist und in Zukunft noch viel stärker werden könnte, wird man so manchen innerstädtischen Freiraum finden, der die technischen Anforderungen an eine Hubschrauberstation ebensogut erfüllt und dabei als Freiraum wesentlich weniger Qualitäten auszuspielen hat. Es mag sein, daß viele dieser anderen Standorte mehr Widerstand hervorrufen würden als der am Rande des wenig privilegierten Stadtteils Buchforst gelegene Kalkberg, dessen Bewohner größtenteils andere Sorgen haben, als für die landschaftlichen Qualitäten ihrer Umgebung zu streiten. Umso mehr sehe ich Sie als Vertreter gesamtstädtischer Interessen hier in der Pflicht!

Sie haben im vergangenen Herbst den Workshop „Rechtsrheinische Perspektiven“ veranstaltet, in dem 5 Teams aus Architekten und Landschaftsplanern das rechtsrheinische Köln zwischen Mülheim, Poll und Vingst nach landschaftlichen und städtebaulichen Potentialen untersuchten. Die Workshopteilnehmer kamen einhellig zu dem Ergebnis, daß der Kalkberg nicht nur in Metern, sondern auch als Erlebnisort für diese konfliktreiche Stadtlandschaft einen unverzichtbaren Höhepunkt, ja sogar einen Schlüßelmoment zum Verständnis des rechtsrheinischen Köln überhaupt darstellt und daß er als Hubschrauberstation viel zu schade sei.

Daß die Feuerwehr und die Rettungsdienste diese Qualitäten nicht weiter berücksichtigen und lediglich nach dem verkehrstechnisch günstigsten Standort für die Station suchen, wundert nicht weiter und ist auch legitim. Es wäre aber meiner Meinung nach Aufgabe Ihres Amtes, hier Einspruch zu erheben und die anderen Aspekte des Kalkbergs zur Sprache und in die öffentliche Diskussion zu bringen.

Wenn das eindeutige Votum des Workshops „rechtrheinische Perspektiven“ für den Kalkberg als Freizeit- und Erlebnisort nicht ausreicht, um an dieser Stelle Einspruch zu erheben, frage ich mich, wofür der Workshop gut gewesen sein soll. Wenn dieser Workshop mehr als nur buntes Papier produziert haben und seine Ergebnisse, so wie Sie es seinerzeit angekündigt hatten, sich auch in der Planung für das rechtsrheinische Köln niederschlagen sollen, ist die Diskussion um den Kalkberg als Standort für eine Hubschrauberstation die erste dringende Gelegenheit, auf die Workshopergebnisse zu verweisen und der Stadtplanung als unerlässlicher Beteiligter bei der Findung des besten Standortes für die Hubschrauberstation Gehör zu verschaffen.

Es wäre zudies eine der letzten Gelegenheiten, dem städtebaulichen Ausverkauf des ehemaligen Geländes der Chemischen Fabrik Kalk Einhalt zu gebieten und den letzten Rest räumlicher Qualität, der hier noch anzutreffen ist, zu bewahren und zu entwickeln.

Mit herzlichem Gruß,

Boris Sieverts
Büro für Städtereisen
Pellenzstraße 6
50823 Köln
tel. 01714160572
borissieverts@gmx.de

 

 

 

Köln, 16.12.2011
Sehr geehrter Herr Kahlen,  

ich war am 28. November bei der Bürgerinformationsveranstaltung zur geplanten Hubschrauberstation auf dem Kalkberg anwesend. Ich kenne und schätze den Kalkberg als großartigen Aussichtspunkt über das rechtsrheinische Köln. Da ich kein Anwohner bin, hatte ich mich bis dahin mit dem Lärmargument wenig befaßt, sondern war in erster Linie besorgt über den Verlust dieses bedeutenden und im weiten Umkreis einmaligen Landschaftselements für die Öffentlichkeit. Diese Bedenken konnten Sie nicht zerstreuen, als Sie darauf hinwiesen, daß Hubschrauberstation und Aussichtsplattform sich nicht ausschließen würden, zugleich aber deutlich machten, daß eine Aussichtsplattform unter diesen Umständen nur noch auf halber Höhe des Berges plaziert werden könnte. Da der Kalkberg mit seiner bescheidenen Höhe eher einen Hügel als einen Berg darstellt und der Überblicksmoment erst auf seinem Gipfel durch die relative Höhe als höchster Ort im mittleren Umfeld zustande kommt, ist die Problematik eines großen landschaftlichen Verlustes, mit dem die Hubschrauberstation erkauft werden soll, mit dem Hinweis auf eine Plattform auf halber Höhe – auf der man dann schon fast auf Augenhöhe mit der Autobahn stünde – nicht aus der Welt geschafft. Sinn macht dieser Hinweis auf Gleichzeitigkeit von Hubschrauberstation und Aussichtspunkt nur, wenn Sie dem Aussichtspunkt den höchsten Punkt des Hügels sichern würden, aber dieser soll, nach Ihren Plänen, eingezäunt und der Sicherheitszone der Hubschrauberstation zugeschlagen werden.

 

Was mich aber wirklich entsetzt hat an jenem Abend in Buchheim war die offensichtliche Ignoranz gegenüber der Buchforster und der Kalker Bevölkerung, mit der Sie diesen Standort favorisieren und ihn durchzusetzen gedenken. Man muß sich den Ablauf der Ereignisse noch einmal deutlich vor Augen führen: Sie (als Vertreter der Stadt Köln) geben eine funktionierende Hubschrauberstation ohne Not auf (es sei denn man betrachtet den Wunsch eines Wohnungsbauunternehmens, das nebenan bauen möchte, als Not), prüfen anschließend über 20 Standorte anhand einer Punkteliste, die als Annäherung bestimmt nützlich ist aber natürlich kein stadtplanerisches, bürgerschaftliches und technisches Abwägen ersetzen kann und beantragen anschließend für den „Gewinner“ dieser Punkteliste als einzigen Standort eine Genehmigung um später, wenn dieser Standort strittig wird, darauf zu verweisen, daß man nun keine andere Wahl mehr habe, da sonst das ganze Genehmigungsverfahren von vorne beginnen müsse! Da soll noch jemand an eine Vorbehaltlose Prüfung der Standorte glauben?

 

Auf Ihrer Liste finde ich eine ganze Reihe Standorte, deren bessere Eignung Sie nur mit schwachen Argumenten bestreiten konnten. Da wären allen voran die Messedächer, deren immense Parkflächen über 90 Prozent des Jahres nur teilweise oder gar nicht genutzt sind. Sie liegen noch zentraler als der Kalkberg, sind über eigene Auf- und Abfahrtsrampen zur Stadtautobahn ebenso wie an das Stadtstraßennetz verkehrlich besser angebunden als dieser, bieten einen gefällefreien und zugleich ebenfalls erhöhten Standort und grenzen in einem Radius von 600m an keinerlei Wohnbebauung. Dass die Messe dieses Anliegen nicht freiwillig und mit offenen Armen empfangen würde, konnte man sich denken, nach allem, wie sie sich bisher als städtischer Akteur verhält. Eine Ablehnung durch die Messe unter so fadenscheinigen Argumenten wie Platzmangel (auf den Messedächern stehen 13 Hektar zur Verfügung, die Hubschrauberstation braucht nicht mal einen Hektar) und Statik (da kann man ja nur lachen: Auf die Gebäudedächer fahren tonnenschwere LKWs!) kann ja wohl nicht ernsthaft ein KO-Argument sein. Schließlich ist die Stadt Köln Eigentümerin der Messe und könnte hier ihren Einfluß geltend machen. Daß ein städtisches Unternehmen in zentraler Lage sich dauerhaft und häufig ohne Not jeglicher gesamtstädtischer Verantwortung entzieht als läge es irgendwo auf der grünen Wiese, ist unerträglich und macht „ihre“ Messe immer mehr Kölnern, besonders jenen von der rechten Rheinseite, zu einem feindlichen Areal. Wenn die Messe in dieser Lage bleiben will, muß sie sich doppelt kodieren lassen!

 

Aber wenn man, so wie Sie Herr Kahlen, offenbar von Anfang an auf einen Standort eingeschossen ist, freut man sich über solche Absagen womöglich sogar. Das gleiche gilt vermutlich für die Absage vom Flughafen, die zwar einen endgültigen Standort ausschließt, aber ihnen durchaus Zeit für einen längeren Übergang gewähren würde – eine Frist, die Sie auf der Informationsveranstaltung verschwiegen haben.

 

Aber vielleicht waren Sie auch gar nicht voreingenommen, sondern sind lediglich den Weg des geringsten Widerstands gegangen und vermuteten diesen auf einem Müllberg inmitten eines sozial schwachen Wohngebiets.

 

Ob Sie nun sachlich voreingenommen waren oder den Weg des vermeintlich geringsten Widerstands wählten: Ihre Argumente auf der Informationsveranstaltung gegen einige alternative Standorte zum Kalkberg konnten nicht überzeugen. Sie waren in mehreren Fällen kaum belastbarer als diejenigen der Messe und nahmen sich gegen die zusätzliche Lärmbelastung eines der am dichtesten bebauten und bereits heute einen Spitzenplatz in der Lärmbelastung einnehmenden Areale der Stadt teilweise ziemlich lächerlich und papieren aus.

 

Ich kannte Sie bis dahin nicht, Herr Kahlen. Vielleicht sind sie ja sonst ein verantwortungsbewußter Stadtdirektor, der zum Wohle der Bürger seiner Stadt handelt und bemüht ist, Schaden bestmöglich von ihnen abzuwenden. Ich bin auch gar kein grundsätzlicher Feind von Lärm emittierenden Einrichtungen wie Autobahnen, Flughäfen oder Fabriken, auch nicht in der Stadt. Aber hier bekomme ich wirklich den Eindruck, daß Sie die ärmsten und einflußschwächsten Bürger dieser Stadt für ein Butterbrot verkauft haben. Wenn Sie den Weg des geringsten Widerstands bevorzugen, wird denjenigen, die für eine der zahlreichen besseren Lösungen sind, nichts anderes übrig bleiben, als den Widerstand zu erhöhen.

 

Mit freundlichem Gruß,

 

Boris Sieverts

Büro für Städtereisen

Pellenzstr. 6

50823 Köln

borissieverts@gmx.de

tel. 01714160572

 

P.S.: Ein sehr geeigneter Standort für die Hubschrauberstation wäre im Übrigen auch die nördliche Anhöhe des Herkulesbergs. Er ist deutlich höher als der Kalkberg, ebenfalls äußerst zentral gelegen und die nächste Wohnbebauung ist hier immerhin noch 500 meter entfernt (statt nicht einmal 200m am Kalkberg). Warum wurde der Herkulesberg nicht geprüft? Vermutlich, weil er Teil einer öffentlichen Grünanlage ist. Der landschaftliche Verlust wäre hier aber viel geringer als auf dem Kalkberg, dessen Besteigung ein echtes Erlebnis der Stadtlandschaft mit sich bringt, während der Herkulesberg einfach nur eine zwar hohe, aber alles in allem doch ziemlich öde Anhöhe darstellt. Die zwei auf dem Herkulesberg angelegten Aussichtspunkte liegen darüber hinaus nicht auf der genannten Anhöhe, sondern eine ganze Ecke südlich davon und könnten bestehen bleiben.

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