Die Stadt Köln beruft sich zur Begründung des Kalkbergs als einzig möglichem Standort auf eine „Bewertungsmatrix der geprüften Standorte“. Diese Matrix wurde dem Rat der Stadt Köln erstmals im Juli 2005 vorgelegt, mit damals 23 geprüften Standorten, sowie in erweiterter Form zuletzt im Dezember 2011, mit 42 geprüften Standorten (von den hinzugekommenen 19 Standorten waren 9 auf Vorschlag des Runden Tisch Buchforst in die Matrix aufgenommen worden).
Die Kritik der BI Kalkberg an der Matrix ist zunächst grundsätzlich:
– die Matrix ist nicht das Ergebnis von sorgfältigen Prüfungen, sondern ein für den Kalkberg maßgeschneiderter Anzug. Die Indizien dafür sind teils offensichtlich, teils subtil (siehe Kriterien der Matrix).
– Eine Vergleichsmatrix ist als Annäherung bestimmt nützlich, kann aber kein stadtplanerisches, bürgerschaftliches und technisches Abwägen ersetzen. Statt sie in diesem Sinne einer Annäherung zu nutzen, wurde die Matrix dem Rat der Stadt Köln von der Verwaltung stets wie ein amtliches Wahlergebnis und als einzige Handlungsrichtschnur präsentiert. Das ging sogar so weit, dass in den amtlichen Verlautbarungen vom Kalkberg stets als „einzig möglichem Standort“ die Rede ist, obwohl die Matrix auch anderen Standorten eine grundsätzliche Eignung, lediglich bei geringerer Punktzahl, bescheinigt.
Die Kriterien der Matrix:
Die Matrix besteht aus 8 in etwa gleichwertigen Kriterien zur Beurteilung der Eignung von Standorten. Diese lauten:
- Lärm
- Zentralität
- Distanz zur Feuerwehr
- Distanz zu Krankenhaus
- Verfügbarkeit des Grundstücks
- Flugsicherheit
- Einsatztaktik
- Realisierung.
Unter diesen 8 Kriterien ist nur ein einziges Kriterium, das den Interessen der Stadtbürgerschaft jenseits von rettungstechnischen und feuerwehrbetriebstechnischen Aspekten sowie Aspekten der Realisierbarkeit Rechnung trägt. Dieses eine Kriterium heißt Lärm. Von den anderen 7 Kriterien sind 5, zumindest vordergründig, der Optimierung des Rettungswesens sowie 2 der Realisierbarkeit geschuldet (städtebauliche Erwägungen tauchen als Kriterium gar nicht auf). So bleibt für das Kriterium Lärm, das man instinktiv bei der Anlage eines kleinen Flughafens (denn das wird die Basisstation sein) mit einem bis zwei Dritteln Anteil an der Gesamtabwägung einschätzen würde, gerade mal ein Achtel übrig. Es stellt sich die Frage, wer diese Matrix diktiert hat und da drängt sich der Eindruck auf, dass das die Feuerwehr war (die subtile Manipulation, die dadurch stattfindet, ist den Verantwortlichen in ihrer Betriebsblindheit womöglich selber nicht aufgefallen).
Sieht man sich außerdem die im Informationsmaterial zur Bürgerinformation vom 28.11.2011 zusätzlich auftauchenden, zweifelhaften KO-Kriterien für einzelne Standorte an (siehe unten), fragt man sich, wie es sein kann, dass der Kalkberg mit dem Zusatz „Altlast“ nicht längst aus dem Rennen ist. Das Gleiche gilt für das Kriterium „Lärm“.
Doch zunächst zu den Kriterien der Matrix:
– Lärm (Anteil an Wohnbebauung im Umkreis von 300 Metern): Der lächerlich kleine Radius von 300 Metern zur Beurteilung der Verlärmung eines Standortes ist vollkommen willkürlich gewählt und entspricht genau dem Abstand der nächsten Wohnbebauung zum Kalkberg (320 Meter). Ein Schelm, wer böses dabei denkt. Realistisch ist eine Beurteilung dieses Faktors im Umkreis von 1000 Metern. Dies ist auch die Bemessungsgrenze für die von der Stadt vorgesehene Ausstattung sozialer Einrichtungen mit Lärmschutzfenstern in Folge der Hubschrauberstation. Und in diesem Radius ist der Kalkberg so dicht von Wohnbebauung umstellt, wie kein anderer Standort der Matrix (siehe hierzu auch Lärm, Link)
– Zentralität (Luftlinie zum Kölner Dom): Das Zentralitätsargument ist weitgehend hinfällig, da der Bezugsraum für die Hubschrauber nicht das Kölner Stadtgebiet, sondern die gesamte Köln-Bonner Bucht ist. Siehe Hier auch Zentralität (Link)
– Distanz zu FW (Zahl der FW im Radius von 1500/3000 Meter): Die Distanz zur FW ist in ihrer Bedeutung marginal, da die Basisstation ja gerade zu dem Zweck geschaffen wird, die Flugstation selber durchgehend zu besetzen. Da die Basisstation auch nicht der Anlieferung und dem Weitertransport der Kranken dienen soll (von den seltenen Flügen des Krankentransporthubschraubers Christoph Rheinland abgesehen), spielt auch die Erreichbarkeit durch Rettungs- bzw. Krankentransportfahrzeuge kaum eine Rolle. Und für den Feuerschutz gelten Sicherheitsvorschriften, zu denen die besondere Nähe zu einer Feuerwehrstation nicht zählt.
– Distanz zu KH (Zahl der Krankenhäuser im Radius von 1500/3000 Metern) : Die Distanz zu den Krankenhäusern spielt für die Rettung der Kranken und Verletzten keine Rolle, da diese weiterhin direkt in den Krankenhäusern abgeliefert werden (siehe Zentralität, Link). Von den Erstversorgungskrankenhäusern droht lediglich dem Kinderkrankenhaus an der Amsterdamer Straße der Verlust des eigenen Landeplatzes. Zu seiner Andienung wären aber Standorte in Niehl oder auf den Parkdecks der Kölnmesse geeigneter. Für diesen Einzelfall käme aber auch ein Rendezvousplatz in der direkten Umgebung des Kinderkrankenhauses (z.B. im Nordpark oder an der Pferderennbahn) in Frage. Dieser könnte, müsste aber nicht, zugleich der Rendezvousplatz für die selteneren Verlegungsflüge von Christoph Rheinland sein. Als Argument für das Kriterium „Distanz zu KH“ verbleibt somit lediglich der kürzere Rückflug zum Kalkberg, nach Abliefern des Patienten im KH. Da dies jedoch nur finanzielle Auswirkungen hat (eine Flugminute kostet 60 Euro), deren Unterschiede im Vergleich der Standorte überschaubar bleiben, lässt sich damit nicht die massive Ruhestörung tausender Bürger begründen (siehe Lärm, Link)
– Verfügbarkeit der notwendigen Grundstücks (Ja = 2/Schwierig = 1/Nein= KO): Natürlich ist die Verfügbarkeit eines Grundstücks grundsätzlich ein Argument, denn wenn ich an ein Grundstück nicht drankomme, kann ich dort auch keine Hubschrauberstation errichten. Die Frage ist, wie weit ich bereit bin, mich zu bemühen, an ein Grundstück heranzukommen, welchen Preis ich zu zahlen und welche Widerstände zu überwinden ich bereit bin. Man kann von einer Stadtverwaltung durchaus erwarten, dass sie, zum Schutz ihrer Bürger vor dem Lärm von 10 bis 15 Hubschrauberflügen pro Tag, bereit ist, hier etwas zu leisten. Eine Eintragung dieses Kriteriums in die Matrix dürfte deshalb erst nach intensiven Bemühungen um den Erwerb sinnvoller Grundstücke bzw. nach Ausschöpfen aller Befugnisse gegenüber direkt oder indirekt untergebenen städtischen Stellen und Gesellschaften, erfolgen. Statt dessen ist die Matrix in diesem Punkt lediglich eine Abbildung des Status Quo, also eine reine Widergabe der bestehenden Besitz- und Einflussverhältnisse.
– Flugsicherheit (Anforderungen der AV Hubschrauber. Ja = 3/ wahrscheinlich =2/ eventuell =1/ Nein = KO): Hier ist die Eu-Richtlinie für Hubschrauberstationen angesprochen (siehe Auf der Suche nach einem neuen, dauerhaften Standort, EU-Kriterien, Link). Der Kalkberg zählt hier mit seinen 3 Punkten zu den fünf am höchsten bewerteten Standorten. Die anderen vier mit dieser Punktzahl ausgezeichneten Standorte sind allesamt bereits in Betrieb befindliche Hubschrauberstationen oder Hubschrauberlandeplätze, die ihre luftrechtliche Eignungsbestätigung längst erhalten haben. Dass der Kalkberg zu dieser Gruppe zählt, hat er der Tatsache zu verdanken, dass für ihn als einzigen derjenigen 36 Standorte der Matrix, die nicht bereits Hubschrauberstandorte sind, ein Flugtechnisches Eignungsgutachten erstellt wurde. Für die meisten der von der BI Kalkberg favorisierten Standorte konnten lediglich 2 Punkte für „wahrscheinlich“ vergeben werden konnten, denn sie sind ja noch nicht gutachterlich bestätigt (auch so manipuliert man Statistiken).
Das entscheidende Kriterium ist hier die Hindernisfreiheit über 4,5 Prozent Steigungswinkel in wenigstens 2 Sektoren. Das bedeutet entweder Höhe oder Platz. Kalkberg und Messedächer haben die Höhe. Platz in wenigstens 2 Richtungen haben alle anderen der von der BI Kalkberg favorisierten Standorte sowie die Messedächer.
– Einsatztaktik (Behinderungen. keine =4/ geringe =3/ mäßige =2/ schwere =1): Der Kalkberg hält in dieser Kategorie die höchste Punktzahl, gemeinsam mit einer ganzen Reihe anderer Standorte, darunter etliche der von der BI Kalkberg favorisierten. Einleuchtend ist die niedrige Punktzahl des jetzigen Standortes am Flughafen, an dem die Hubschrauber wohl gelegentlich bis zu zwei Minuten auf ihre Startgenehmigung warten müssen, um startende oder landende Flugzeuge passieren zu lassen. An der vorübergehenden Eignung des Flughafens bis zur Findung eines tatsächlich geeigneten Standorts ändert das nichts (siehe Übergangslösung Flughafen).
- Realisierung (Dauer der Errichtung ab erstem Ratsbeschluss vom 5.7.2005): Damit ist die von der EU gesetzte Frist zur Umsetzung der neuen Richtlinien für Basisstationen angesprochen, die 2005, als die erste „Matrix“ besprochen wurde, noch 2 Jahre betrug, sowie die Sicherstellung des avisierten Investitionskostenzuschusses der GAG von 1 Mio. Euro. Wie selbstverständlich ging die Stadt damals davon aus, das Projekt auf dem Kalkberg innerhalb dieses Zeitraums fertig stellen zu können. Woher nahm sie diese Gewissheit, die sie für mehr als die Hälfte der anderen Standorte offenbar ebenso selbstverständlich ausschloss? Aus den 2 Jahren sind mittlerweile 7 Jahre geworden und bis zur Fertigstellung im Jahr 2014 werden es 9 Jahre sein. Selbst wenn man den zwischenzeitigen Wechsel vom Investoren- zum Eigentümermodell am Kalkberg berücksichtigt, wären die meisten anderen Standorte, wenn man sie von Anfang an weiter verfolgt hätte, schneller oder genauso schnell umzusetzen gewesen. Angesichts der völligen Untätigkeit gegenüber diesen anderen Standorten in 7 Jahren erscheint auch die nachträgliche sogenannte Prüfung von 19 weiteren Standorten zwischen 2005 und 2011 als reine Alibiveranstaltung.
Zusätzlich zu den Kriterien der Matrix werden im Informationsmaterial zur Bürgerveranstaltung vom 28.11.2011 in Buchheim zu einzelnen Standorten noch folgende Negativ- bzw. KO-Kriterien genannt:
– Landschaftsschutzgebiet (LSG): Der Landschaftsschutz liegt uns allen am Herzen, aber auch hier gilt es, abzuwägen: Die Versiegelung einer gerade mal einen Hektar großen Fläche würden viele der genannten, ausgedehnten Landschaftsschutzgebiete durchaus vertragen und kleinere Eingriffe dieser Art in Landschaftsschutzgebiete werden ja auch immer wieder vorgenommen. Landschaftsschutzgebiete sind keine Naturschutzgebiete, deren Status einen solchen Eingriff quasi unmöglich macht. Das Argument Landschaftsschutzgebiet kann mithin kein KO-Kriterium sein, als welches es aber durchgängig verwandt wird. Am Kalkberg hingegen würde durch die Hubschrauberstation tatsächlich ein bedeutender Landschaftsbestandteil weitgehend, wenn nicht gar vollständig zerstört oder zumindest unzugänglich gemacht werden.
– Hochwassergefährdet: Das Argument „hochwassergefährdet“ taucht auf dem Essogelände an der Geestemünder Straße in Niehl auf. Es handelt sich hier nicht um eine Gefährdung durch direktes Rheinhochwasser, sondern lediglich um eine Gefährdung durch steigendes Grundwasser bei Rheinhochwasser, da das Gelände in einer Senke liegt. Durch eine geringfügige Aufschüttung des Geländes wäre dieser Mangel leicht zu beheben.
– Grundstück verkauft (Essogelände, 2007): „Grundstück verkauft“ ist das KO-Kriterium zum Standort Bernhardt-Günter-Straße auf dem Esso-Gelände in Niehl. Der Verkauf fand 2007 statt, also zu einem Zeitpunkt, als der Standort längst in die Liste der zu prüfenden Standorte aufgenommen worden war und dort als einer von nur 6 Kandidaten ohne KO-Kriterium in die engere Auswahl gehörte. Der Verkauf zu diesem Zeitpunkt zeigt abermals, wie wenig die Stadt Köln tatsächlich jemals bereit war, Alternativen zum Kalkberg zu finden bzw. benannte Alternativen zu realisieren.
– Gewerbegebiet: Ist das ein Witz? Das Argument „Gewerbegebiet“ kann ja wohl kein Negativ- oder KO-Kriterium sein, sondern sollte im Gegenteil für einen Standort als Hubschrauberbasisstation sprechen. In Gewerbegebieten spielt Ruhestörung keine Rolle, sie sind zumeist nur niedrig bebaut und verkehrlich hervorragend erschlossen. Die wenigen Meter zur Angleichung an die in manchen Fällen vorhandene, niedrige Nachbarbebauung lassen sich mit einer gebauten oder aufgeschütteten Plattform ausgleichen. Es entsteht der Verdacht, dass die Stadt hier am Verkauf der Grundstücke mehr Interesse hat als am Wohlergehen ihrer Bürger.
– Städtebaulicher Vertrag (KO für Klinikum Merheim): Der städtebauliche Vertrag zwischen der Stadt Köln und der GAG in Merheim sieht einen Investitionskostenzuschuss seitens der GAG zum Bau einer neuen Hubschrauberstation vor, wenn es der Stadt Köln gelingt, binnen eines Jahres, bis Mitte 2007, den Hubschrauber aus Merheim abzuziehen. Abgesehen davon, dass sich die Frage stellt, wer mit welchem Recht und welchen Mitteln die Standortsuche derart beeinflussen darf, ist das kein KO-Kriterium, denn wenn die Verlegung nicht erfolgt, würde entweder lediglich der Investitionskostenzuschuss verfallen oder aber die Option greifen, die sich die Stadt offen gehalten hat, den Hubschrauber vorübergehend an den Flughafen Köln/Bonn zu verlagern (siehe auch Die bisherigen Hubschrauberstationen in Köln Merheim und am Flughafen Porz-Wahn).