(sozial)topografie einer Stadt

Wenn man einem Fremden ein Luftbild von Köln zeigen würde und ihn bäte, einen guten Standort für eine Hubschrauberstation, von der täglich 10-15 Flüge starten oder landen, zu erraten, würde er auf die großen, freien, landschaftlichen Flächen beiderseits des Rheins, auf die teilweise brachliegenden Industrie- und Gewerbegebiete, sowie, bei einiger Ortskenntnis und ein wenig Vorstellungsvermögen, auch auf die Dächer der Kölner Messe zeigen. Wenn man ihm dann den Kalkberg als tatsächliche Wahl präsentierte, würde er sich verwundert die Augen reiben und fragen, wie das denn sein kann: Ein Hubschrauberflughafen zwischen drei dicht bebauten Wohnvierteln. Verständlicher wird ihm diese Entscheidung vielleicht, wenn man ihm die Sozialtopografie der Stadt erklärte: Dass nämlich unter all den Menschen, die so dicht um diesen Hügel wohnen, kein einziger Anwalt ist. Auch kaum ein Universitätsprofessor, hoher Regierungsbeamter Chefarzt oder Ratsmitglied. Die Honoratioren dieser Stadt wohnen nicht nur woanders, nein, es wäre schwierig, einen halbwegs zentral gelegenen Punkt in dieser Stadt zu benennen, der in alle vier Himmelsrichtungen so gehörigen Abstand zu ihnen wahrt. Das, in Verbund mit dem Umstand, dass der Kalkberg bis dahin als Grünfläche und Aussichtspunkt, aufgrund seiner industriellen Vergangenheit, weitgehend unbekannt war, also ein Ort ohne Lobby in einem Stadtteil ohne Lobby, machte ihn zum prädestinierten Standort im Sinne der vermeintlich einfachsten und eben nicht der besten Lösung. Deshalb ist die Entscheidung, die Hubschrauberstation auf den Kalkberg zu setzen, den die überwältigende Mehrheit der Ratsmitglieder, wenn überhaupt, nur im Vorbeifahren von der Autobahn kennt, aber noch nie betreten hat, ein Ausdruck unerträglicher Ignoranz gegenüber einem ganzen Stadtsektor. Wenn Stadtdirektor Guido Kahlen vor laufenden Kameras sagt, dass sich der Hubschrauberlärm „im Umgebungslärm“ der ohnehin schon stark verlärmten umgebenden Stadtteile „darstellen lässt“, grenzt diese Ignoranz an puren Zynismus. Mit derselben Ignoranz, mit der die bereits jetzt am stärksten von Verkehrs- und Fluglärm betroffenen Stadtteile noch mehr Lärm ausgesetzt werden sollen, wurde und wird über die städtebaulichen und landschaftlichen Interessen und Potentiale dieser Stadtteile hinweg gegangen, wie der unsägliche Städtebau auf dem ehemaligen CFK-Gelände eindrucksvoll beweist.
Offener Brief an Stadtdirektor Guido Kahlen vom 16.12.2011 (bitte verlinken)

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