Politik

Wie wurde der Standort Kalkberg politisch durchgesetzt?
Die Wahl des Standortes für die Hubschrauberbasisstation ist eine schwerwiegende Entscheidung für die nächsten 50 Jahre und sollte nicht nur wohl überlegt, sondern auch demokratisch legitimiert sein. Die Wahl des Standortes Kalkberg ist weder das eine noch das andere. Zunächst mal ist sie nicht das Ergebnis einer offenen Prüfung:

  • Im Juli 2005 legte die Verwaltung dem Rat der Stadt Köln eine vergleichende Matrix zu 28 Standorten vor, in der der Kalkberg mit der höchsten Punktzahl abschneidet. Der Kalkberg war bereits 2004 eingehend geprüft und sogar luftrechtlich begutachtet worden, zu einem Zeitpunkt, als andere Standorte noch nicht einmal in Erwägung gezogen waren. Für keinen der anderen Standorte ist später jemals auch nur ein annähernd vergleichbarer Aufwand betrieben worden (siehe „Matrix“, Messedächer u.a. Punkte). Im Ergebnis dieses unlauteren „Wettbewerbs“ landete der Kalkberg auf Platz 1 einer Vergleichsmatrix, die dem Rat seither von der Verwaltung als Entscheidungsgrundlage präsentiert wurde , tatsächlich aber niemals dafür hätte eingesetzt werden dürfen.
  • Dem Rat der Stadt Köln wurde zu keinem Zeitpunkt eine echte Wahl gelassen. Stattdessen bereitete die Verwaltung nur jene Informationen, die für den Kalkberg als Standort für die Basisstation sprechen, anschaulich auf. Widersprüchliche Argumente wurden entweder durch manipulative Grafiken zurechtgebogen oder verschwiegen. Anschauliche Beispiele hierfür sind das lächerliche Lärmausbreitungsschema, in dem der Lärm strahlenförmig dargestellt und die Stegerwaldsiedlung ausgeblendet wird (siehe Lärm, Manipulative Grafiken) und die Grafik zur Darstellung der Überschneidung in den Einsatzradien von Koblenzer und Kölner Rettungshubschrauber, in der der Duisburger Hubschrauber einfach ausgeblendet wird (siehe Zentralität). Ein eindrucksvolles Beispiel für das Durchboxen des Kalkbergs als Standort für die Basisstation um jeden Preis ist das Infomaterial zur Bürgerinformationsveranstaltung am 28.11.2011 (link), in der statt der den Kalkberg umgebenden Wohnhäuser lediglich leere Garagenhöfe abgebildet sind. Wer die Umgebung des Kalkbergs kennt, weiß, dass man den Bildausschnitt in drei Himmelsrichtungen sehr geschickt wählen muss, um hier kein Wohnhaus aufs Bild zu bekommen!
  • Die Wahl des Standorts für die Basisstation ist eine schwerwiegende Entscheidung für die nächsten 50 Jahre. Jedes Ratsmitglied sollte die Möglichkeit bekommen, sich selber ein Bild von den Möglichkeiten zu machen. Eine Busrundfahrt zur Besichtigung verschiedener Möglichkeiten für alle Ratsmitglieder oder zumindest für einen größeren Teil von ihnen, wäre durchaus angemessen gewesen und wäre es jetzt noch. Eine echte Abwägung von Pro und Kontra fand im Rat nicht statt. Stattdessen arbeiteten Feuerwehr und Rettungsdienste mit vereinzelten Verwaltungsbeamten Vorlagen aus, die keine Diskussionsgrundlagen sind, sondern Dokumente zum Abnicken!
  • So, wie der Rat Ortsbegehungen bräuchte, so angebracht wäre für die Bevölkerung in Kalk, Buchforst und der Stegerwaldsiedlung die Anbringung eines Schildes am Fuße des Kalkbergs, auf dem die Absicht, hier eine Hubschrauberbasisstation zu errichten, erklärt wird, mit Text und Bild. Warum wurde nicht bereits 2003 an Ort und Stelle ein Schild aufgestellt: „An dieser Stelle erwägt die Stadt Köln den Bau einer Basisstation für Rettungshubschrauber mit 10 bis 15 Flügen pro Tag“. Das wäre ernst gemeinte Bürgerbeteiligung. Warum tauchen solche Schilder, die nicht nur das anschaulichste Informationsmittel sind, sondern auch genau diejenigen ansprechen, die es am meisten angeht, immer erst auf, wenn bereits gebaut wird?
  • Stattdessen erfuhren die Bürger zum ersten mal 2005 aus einer Randnotiz in der Zeitung von den Plänen zum Bau der Hubschrauberstation auf dem Kalkberg, zu einem Zeitpunkt, als die entsprechende Beschlussvorlage bereits in der Schublade lag und nur noch durch die politischen Instanzen (Bezirksvertretung, Gesundheitsausschuss etc.) gewunken werden sollte. Nach einer von Buchforster Bürgern eilig einberufenen Versammlung hagelte es Proteste. Erst daraufhin lud die Stadt zu einer Bürgerinformationsveranstaltung ein, in deren Folge seitenweise Einsprüche sowie, nach erfolgter Genehmigung, eine Klage gegen die Genehmigung erhoben wurden. Das „kalte Durchwinken“, also die klammheimliche Realisierung an der Öffentlichkeit vorbei, waren nun vorerst nicht mehr möglich. Der Informationsveranstaltung folgte im Februar 2007 ein von der Genehmigungsbehörde initiierter öffentlicher Erörterungstermin, bei dem von Buchforster Bürgern alternative Standorte vorgeschlagen wurden, die bei der Prüfung durch die Stadt dann sämtlich am Kriterium „Realisierungsdauer“ scheiterten. Was Wunder: Wenn man von Anfang an nur einen Zug aufs Gleis setzt und gleichzeitig stets seinen Zeitdruck betont, muss das spätere Verfolgen von Alternativen zur Farce werden. Glaubwürdig wäre die Suche nach solchen Alternativen nur gewesen, wenn die Stadt frühzeitig Genehmigungsverfahren für mehrere Standorte eingeleitet hätte.
  • 2011, nachdem die Klage gescheitert war, da die Klägerin nur Nutznießerin und nicht Eigentümerin der betroffenen Immobilie war, so dass nach dem Tod der Klägerin die Klage von den Angehörigen nicht weiter geführt werden konnte, folgte eine weitere Informationsveranstaltung, bei der die Bürger abermals ihre Meinung zu einem Zeitpunkt äußern durften, als die Entscheidung bei Rat und Verwaltung bereits abgemacht war (dabei wurden die Buchforster Bürger teilweise mit Shuttlebussen zum Veranstaltungsort gefahren, während man in Kalk und der Stegerwaldsiedlung, die mindestens im selben Maße von der Basisstation betroffen sein werden, aber bis dahin nicht „aufgemuckt“ hatten, teilweise noch nicht einmal öffentliche Bekanntmachungen sah).
  • Betrachtet man die Chronologie dieser Ereignisse aufmerksam, wird deutlich, dass die Stadt an einer Beteiligung der Bürgerschaft bei der Suche nach dem besten Standort für die Hubschrauberstation nie interessiert war. Sie verfolgte zunächst das Ziel, den Standort Kalkberg geräuschlos durchzuwinken. Dieses Ziel war vorübergehend in Frage gestellt, da sich massenhaft Protest geregt und eine Anwohnerin unerwartet geklagt hatte. Nachdem das Verfahren aus formalen Gründen ebenso unerwartet eingestellt wurde, war der Weg wieder frei für den Kalkberg. Zitat Stefan Peil (Mitglied der Grünen im Gesundheitsausschuss) in der Ratssitzung vom 20.12.2011: „…nachdem die Klage abgewiesen ist, sollten wir froh sein, das Thema endlich vom Tisch zu kriegen“.
  • Meinungsmache: Die Stadt setzt in ihrer massiven Öffentlichkeitsarbeit für die Basisstation auf dem Kalkberg auf den zu Recht guten Ruf unserer Rettungsdienste und den Nimbus ihres unbestrittenen Engagements im Dienste unserer aller Leben und Gesundheit. Dabei verwechselt sie allzu oft Information mit Meinungsmache und erweckt durch verkürzte und einseitige Darstellungen den Eindruck, dass ein Bekenntnis zur Basisstation auf dem Kalkberg auch ein Bekenntnis zum Rettungswesen in dieser Stadt darstellt. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Es gibt andere Standorte, die, durchaus auch im Sinne des Rettungswesens, geeigneter sind. Deshalb ist der Kampf gegen den Standort Kalkberg auch kein Kampf nach dem Sankt Florians-Prinzip, das die Lasten immer den anderen aufhalsen möchte, sondern ein Einsatz für die Vernunft und ein Beitrag für das Rettungswesen in dieser Stadt

Gerichtsentscheide:

  • Gerichte entscheiden nicht über erfolgte oder unterlassene Abwägungsprozesse in einem Gemeinwesen oder über Vor- und Nachteile von Standorten im Vergleich. Das sind Aufgaben von Politik und Verwaltung. Dennoch lohnt ein Blick in die Geschichte der Gerichts- und Regierungsentscheidungen zum Kalkberg:
  • Am 21.10.2008 erteilte die Bezirksregierung Düsseldorf die luftrechtliche Genehmigung für den Kalkberg mit Auflagen. Diese Genehmigung wurde fristgerecht beklagt. Die Klagende verstarb, bevor über die Sache abschließend verhandelt werden konnte. Da die Klagende nur Nutznießerin, nicht aber  Eigentümerin der von der Hubschrauberstation betroffenen Immobilie war, ging das Klagerecht, zur Überraschung aller Beteiligten, nicht auf ihre Erben über und im sozial schwachen Umfeld des Kalkbergs hatte außer ihr niemand (fristgerecht) geklagt. In der Folge erreichte die Stadt Köln bei der Bezirksregierung am 27.10.2010 die sofortige Vollziehbarkeit trotz eines laufenden Prozesses vor dem Verwaltungsgericht in Münster, bei dem die Angehörigen der Klägerin versuchten, deren Klageansprüche doch noch geltend zu machen. Dieses Anliegen wurde mittlerweile aus den genannten formalen Gründen abgelehnt.
  • Die Stadt Köln bemüht die bisherigen Gerichtsurteile in Punkto Kalkberg, die alle in ihrem Sinne entschieden wurden, zur Legitimation ihrer Standortwahl. Das ist geschickt, hat aber leider mit der Wahrheit wenig zu tun, denn die Stadt hat diese Prozesse nur aus formalen Gründen gewonnen.
  • Darüber hinaus stellt die Stadt Köln die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit so dar, als sei sie einer selbständigen Einsicht der Bezirksregierung entsprungen. In Wahrheit hat jedoch die Stadt Köln eigens eine Düsseldorfer (!) Anwaltskanzlei beauftragt, bei der Bezirksregierung in Düsseldorf (!) die sofortige Vollziehbarkeit zu erwirken.
-    Der Rat der Stadt Köln hat den Bau der Hubschrauberbasisstation am 20.12.2011 mit den Stimmen von SPD, CDU, Grünen und FDP, gegen die Stimmen von Die Linke, Deine Freunde, Freie Wähler und Pro Köln beschlossen.

 

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